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Bundesteilhabegesetz – so nicht!

Betroffene, Angehörige und Träger formulieren ihre Verbesserungsforderungen

Rund 7.000 Menschen haben am 22. September in Hannover für ein besseres Bundesteilhabegesetz (BTHG) demonstriert, darunter auch Beschäftigte der Vitus Werkstatt und Schüler der Jakob-Muth-Schule, Angehörige und rechtliche Betreuer sowie Mitarbeiter der Vitus Einrichtungen aus Meppen und Umgebung. Am 22. September wurde der Regierungsentwurf zum BTHG in erster Lesung im Deutschen Bundestag, einen Tag später im Bundesrat beraten. Auch im Rahmen dieser Debatten wurde deutlich: der Gesetzentwurf braucht deutliche Nachbesserungen, wenn es den von der federführenden Ministerin Andrea Nahles aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales formulierten Anspruch der Verbesserung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung tatsächlich einlösen soll.

Bundesteilhabegesetz – so nicht! Roten Luftballons wurden als Zeichen Richtung Berlin geschickt

Bunter Protest an landesweitem Aktionstag von Menschen mit Behinderung, Angehörigen und Mitarbeitenden

„Bundesteilhabegesetz – So nicht!“ – knapp 10.000 rote Luftballons, bedruckt mit diesem Ausruf, haben Betroffene, Angehörige und Mitarbeitende von Einrichtungen der Behindertenhilfe in Niedersachsen am 30. September zeitgleich im ganzen Land in die Luft steigen lassen und symbolisch auf den Weg nach Berlin geschickt. Mit diesem landesweiten Aktionstag protestierten sie gegen die geplante Reform des Bundesteilhabegesetzes.

Initiiert wurde die Aktion von der Arbeitsgemeinschaft der Caritas Einrichtungen der Behindertenhilfe in Niedersachsen zusammen mit den örtlichen Werkstatträten sowie der niedersächsischen Landesarbeitsgemeinschaft der Angehörigenvertretungen. Vor vielen Einrichtungen in ganz Niedersachsen versammelten sich am Vormittag Menschen mit und ohne Handicap, um ihre Ablehnung gegenüber der geplanten Gesetzesänderungen zum Ausdruck zu bringen. Auf den Luftballons, die sie aufsteigen ließen, war neben dem Motto ein defekter Rollstuhl zu sehen – als Symbol dafür, dass das Gesetz in der bisher geplanten Form nicht rundläuft. An den Ballons befanden sich Postkarten mit den Kritikpunkten sowie Forderungen an die Bundespolitik in Berlin, formuliert in Leichter Sprache.

Der Werkstattrat

Das Bundesteilhabegesetz soll unser Leben erleichtern. Damit wir selbst besser bestimmen können, wie wir leben möchten! Dafür brauchen wir Unterstützung in unterschiedlichen Bereichen des Lebens. Dabei gilt: Diese Hilfe muss danach ausgerichtet sein, was die einzelnen Person zur Teilhabe benötigt.

Es kann nicht sein, dass zukünftig nur noch die Menschen Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, die in mindestens 5 von 9 Lebensbereichen deutlich eingeschränkt sind!

Es kann nicht sein, dass Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf auch weiterhin nicht die Teilhabe am Arbeitsleben in einer Werksstatt wählen können, weil sie nicht ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeit erbringen können. Das entspricht nicht den Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Deutschland hat sich 2009 verpflichtet, diese Konvention durch entsprechende Gesetze umzusetzen.

Die Angehörigenvertretung

Das Bundesteilhabegesetz soll das Leben unserer Angehörigen und rechtlich Betreuten erleichtern. Damit sie selbst besser bestimmen können, wie sie leben möchten! Dafür brauchen sie Leistungen der Eingliederungshilfe und oftmals auch der Pflege. Beide Leistungen sind wichtig.

Es kann nicht sein, dass zukünftig unsere Angehörigen in Pflegeeinrichtungen ziehen müssen, wenn der Pflegebedarf zu hoch ist. Auch für unsere Angehörige werden Beiträge zur Pflegeversicherung entrichtet. Das Bundesteilhabegesetz muss ihnen daher auch den vollen Zugang zu Pflegeleistungen ermöglichen. Auch dann, wenn sie in Wohnstätten der Behindertenhilfe oder in ambulanten Wohngemeinschaften leben!

Es kann nicht sein, dass beim Wohnen zu Hause alle Unterstützungsbedarfe vorrangig nur noch über die Pflege abgedeckt werden sollen. Leistungen der Eingliederungshilfe sind genauso wichtig für die persönliche Entwicklung unserer Angehörigen. Das entspricht nicht den Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Deutschland hat sich 2009 verpflichtet, diese Konvention durch entsprechende Gesetze umzusetzen.

Die Vertretung der Vitus Einrichtungen

Das Bundesteilhabegesetz soll das Leben unserer Kunden erleichtern. Damit sie selbst besser bestimmen können, wie sie leben möchten! Dafür brauchen auch wir als Leistungserbringer verlässliche Rahmenbedingungen.

Es kann nicht sein, dass zukünftig bisherige gebäudenahe Kosten für stationäre Wohneinrichtungen evtl. nicht mehr durch den Leistungsträger refinanziert sind, weil die Leistungen der Grundsicherung hierfür nicht ausreichen.

Es kann nicht sein, dass weiterhin Leistungserbringer benachteiligt werden, die ihre Mitarbeiter nach öffentlichen Tarifen angemessen vergüten. Soziale Arbeit ist eine wertvolle Arbeit für unsere Gesellschaft. Tarifliche Vergütungen, die für die öffentliche Verwaltung vereinbart werden, müssen auch bei der Re-Finanzierung der freigemeinnützigen Träger uneingeschränkt als wirtschaftlich angemessen akzeptiert werden.

Politik für Nachbesserungen gefordert

Nur so können die Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention im Alltag auch tatsächlich mit der notwendigen Qualität umgesetzt werden. Deutschland hat sich 2009 verpflichtet, diese Konvention durch entsprechende Gesetze umzusetzen. Bundes- und Landespolitik sind in den nächsten Wochen gefordert, die notwendigen Verbesserungen des Gesetzes durchzusetzen. Für eine echte Verbesserung von Teilhabe und Selbstbestimmung.