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Perspektiven für das Leben

Der Mensch und seine unterschiedlichen Fähigkeiten stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Vitus ebnet den Weg für die gesellschaftliche Teilhabe, schafft Selbstvertrauen und engagiert sich, um gesellschaftliche Barrieren abzubauen – in Köpfen und an Kanten.

Dazu bieten wir Assistenz an, entwickeln und pflegen unser Netzwerk, kooperieren mit anderen Institutionen, Gemeinden, Organisationen, Vereinen und den Bürgern. Denn Teilhabe erfordert Teilgabe – und die fängt bei jedem Einzelnen an. Damit sich neue Perspektiven für das Leben eröffnen. Dieser Anspruch leitet unser Tun.

Hilfsgüter für die Ukraine

vl.: Bruder Jürgen, Schwager Markus, Anne Giese und ihr Mann Reinhard in Lodz vor dem Kulturzentrum

Hallo, ich heiße Anne Giese (40 J.) und arbeite seit 5 Jahren in der WA-Helter Damm auf Gruppe 1.

Mein Mann Reinhard, Schwager Markus und Bruder Jürgen sind am 11.03.2022 aufgrund einer spontanen Anfrage eines Bekannten mit 2 Bulli´s; voll bepackt mit Hilfsgütern (Kleidung für Kinder + Erwachsene, Kindersitzen, Decken, Schlafsäcken, Babynahrung, Spielzeug, etc.), nach Polen gefahren, um sie dort in Zelów an eine privat Organisation abzuliefern.

Es gab keine große Vorbereitungszeit. Mein Mann konnte spontan einen Bulli seiner Firma (Günther Mersmeyer, Bückelte) zur Unterstützung organisieren. Mein Schwager konnte eine Spritgeld Spende über 500 Euro von seinem Chef (Alwin Otten, Meppen) bekommen.

Mir ist dann die Idee gekommen, dass vielleicht Vitus auch Lust hat sich an dieser Hilfsaktion zu beteiligen.

Ich habe kurzerhand Marco Strodt-Dieckmann kontaktiert. Er war direkt; nach kurzer Erklärung wie dieses aussehen soll, sehr angetan und erkundigte sich schnellst möglich um ein „GO“ von Herrn Korden. Die Zusage; dass ich einen Bulli bekommen kann, erhielt ich binnen 2 Stunden. Meinen geplanter Wochenenddienst wurde kurzerhand getauscht.

Am 10.03.2022 konnte ich den Bulli vom FED abholen, die mir 5 Säcken Kontinenz Material und Pflegemitteln bereits bestückt waren. Abends ging es dann nach Bawinkel, wo Sven P. mit 3 vollgepackten Lagern auf Unterstützung wartete, um diese nach Polen zu bringen.

Am Freitagmittag machten wir uns auf die lange Fahrt. Es warteten knapp 1000 km bis zu unserer Abnahme Stelle und 1000 km wieder zurück.

Am Samstagmorgen um 9 Uhr wurden wir sehr freundlich in Zelów erwartet. Dort standen ca. 10 Personen, die unsere Sachen in weniger als 15 Minuten aus unseren Bullis entladen hatten. Im Anschluss bekamen wir eine warme Suppe, polnischen Kaffee und einige schöne Gespräche; die permanent über den Google Übersetzer liefen.

Vor Ort konnte uns leider niemand sagen, ob es in der Nähe schon Menschen gibt, die evtl. mit uns nach Deutschland kommen möchten oder überhaupt das Land verlassen wollen.

Es wurde telefoniert, viel übersetzt und viel über Facebook nachgesehen um irgendwas in Erfahrung zu bringen. Wir bekamen dann den Hinweis, dass wir nach Lódz fahren sollten, da dort ein großer Bahnhof wäre. Also fuhren wir gegen Mittag dort hin. Es waren nur wenige Menschen unterwegs, was uns allen sehr komisch vorkam. Es hieß dann „das ist ein typischer Samstag in Polen!“

Wir fragten bei der Polizei, die am Bahnhof stand. Die schickten uns nach einer Kontrolle in den Bahnhof zu einem Info Stand. Dort standen nur wenige Menschen, die aber auf Hilfe warteten.

Es waren 3 Frauen, die auf uns aufmerksam wurden. Sie waren bereits seit 7 Tagen unterwegs und kamen oberhalb von Kiew. Diese wurden von den Damen des Infostandes gerade über mögliche weitere Schritte informiert. Es zeigte sich, dass es sehr hilfreich war, dass ich als Frau mit dabei war. Ich habe mich mit den Frauen wieder über den Google Übersetzter unterhalten und ihnen erklärt, dass wir da sind um Menschen die geflüchtet sind mit nach Deutschland zu nehmen; wenn sie wollen.

Wir wurden erstmal vertröstet und mit den 3 Frauen zur nächsten Auffangstelle gefahren. In Lódz wurde ein Kulturzentrum umfunktioniert. Dort waren Möglichkeiten zum Essen, ausruhen und erstmal durchatmen. Dort wurden wir mit einem heißen Kaffee versorgt um die Wartezeit zu überbrücken. Im Gebäude selbst war es sehr ruhig, Tanzsäle wurden zu Schlafstätten umfunktioniert, Kinder spielten und alle hatte genug zu Essen und zu trinken vor Ort. Es war trotzdem sehr traurig zu sehen, wie sich diese Menschen es auf Gymnastikmatten gemütlich machten. Auch das keine Fenster in den Räumen war machte die Atmosphäre etwas drückend.

Die 3 Frauen bekamen dort eine warme Mahlzeit und wurden darüber informiert, was zu der Zeit faktischer Status für geflüchtete bedeuten sollte.

Draußen wurden wir von einem Mitarbeiter angesprochen, der sehr gut Deutsch sprechen konnte. Da keiner von uns polnisch konnte, war das wirklich GOLD wert!

Er fragte uns was wir vorhaben, wo wir her kommen und einiges mehr. Diese „Fragestunde“ empfand ich als sehr positiv, da auf die Menschen in Not wirklich geachtet wurde. Es gab somit ein Gefühl der Sicherheit. Jeder fremde wurde befragt und auch durch die Polizei kontrolliert. Jedes Fahrzeug wurde polizeilich registriert und kontrolliert.

Wir haben offen mit ihm gesprochen und uns erklärt. Auch die Polizei war sehr auf Zack. Bis da wurden wir bereits 3x polizeilich Überprüft.

Die 3 Frauen entschlossen sich mit uns zu fahren, nachdem sie genauestens von dem Mann der Organisation aufgeklärt wurden wo die Reise nun hingehen kann. Doch zu dem Zeitpunkt wollte niemand anderes von dort aus mit uns fahren. Somit gingen wir mit den Frauen zurück zu den Bullis.

Kurz vor unserer Abreise rief der nette Mann von der Auffangstelle an (mein Bruder hatte Nummern ausgetauscht) und fragte ob wir noch da wären und 7 Menschen sofort mitnehmen könnten.

Wir sind direkt hin gefahren, Türen auf und es kamen eine 93 jährige Frau mit ihrer (Schwieger-)Tochter, 3 Enkeln (eine hoch Schwanger) und 2 Urenkeln, die von ihrem Sohn/Mann/Vater/Opa in unseren Bulli gesetzt wurden. Der Mann verabschiedete sich und blieb zurück. Er hat sich wieder auf den Weg in die Ukraine gemacht.

Der Mann der Organisation vor Ort war uns sehr dankbar und versicherte den Leuten, dass sie nun in Sicherheit kommen. Wir waren sprachlos, ratlos, aber nur noch in der Lage zu reagieren.

Die Oma war überglücklich in unserem Bulli zu sitzen und bedankte sich immer wieder während der Fahrt bei uns. Ihre (Schwieger-)Tochter war die Hälfte der Fahrt nur am Weinen.

Dank des Übersetzers konnten wir schnell mitteilen, dass wir sie nach Bramsche (Osnabrück) ins Auffanglager bringen können. Sie selbst hatten bereits organisiert, dass sie innerhalb einiger Tage zu Verwandten ins Saarland weiter gehen würden. Da wir mit nur 2 Pausen zurück nach Deutschland gefahren sind, konnten wir diese Familie morgens um 3.30 Uhr in Bramsche wohlbehalten abgeben. Sie wurden freundlich empfangen.

Oma war für mich das Beste!!! Sie strahlte und wollte uns alle küssen um DANKE zu sagen! Diesen Dank soll ich an alle Beteiligten weiter geben!!! Die Tochter weinte in Bramsche vor Glück und konnte da auch wieder ein bisschen lachen. Sie waren alle einfach nur sehr dankbar!!!

Die anderen 3 Frauen (Tante 70 J., Nichte 44J. mit Tochter 23J.) wurden spontan von meinem Bruder aufgenommen. Die 3 sind noch immer bei meinem Bruder und haben sich bereits jetzt nach 2 Wochen sehr gut mit in das Familienleben integriert. Selbst das Deutsch lernen funktioniert sehr gut!

Anja (23J.) ist noch mitten im Medizin Studium, das trotz des Krieges immer noch online weiter geführt wird. Vita (44J.) beschäftigt sich gerne mit im Haushalt und beim Kochen, Svetta (70J.) ist sehr engagiert im Garten. Alle drei können wieder lächeln und fühlen sich jetzt sehr sicher und einfach nur erleichtert in Sicherheit zu sein.

Sie haben alle noch Kontakt zu ihren Familien in der Ukraine. Ihr Haus steht noch, das Nachbarhaus ist bereits zerbombt. Ihre Angehörigen leben.

Das sie jetzt hier in Deutschland sind, darüber sind die drei sehr froh. Svetta sagte mal zu Anfang „Anja, wo habt ihr mich nur hin gebracht?!?“

Sie war noch nie in ihrem Leben so weit weg von zuhause. Über 1500 km in einem Dorf wie Wettrup; das übersetzt auch noch „Leiche“ bedeutet. Da wussten wir dann auch, warum sie so viel Angst hatten.

Ein so kleines Dorf sind sie auch nicht gewohnt, denn in dem Haus; in dem sie eigentlich Leben, wohnen über 500 Menschen. Jetzt wohnen sie in einem Dorf, das nicht viel mehr Einwohner hat.

Sven P. konnte am Samstag 13.03.2022 auch noch 10 Menschen mit nach Deutschland bringen und organisiert immer noch weiter Hilfstransporte nach Polen.

Es waren 2048 km die wir binnen 48 Stunden hinter uns gebracht haben und somit auch 13 Menschen wenigstens direkt helfen konnten. Die ganze Aktion hat mich ein paar Stunden Organisation, Anrufe und einiges an Kraft gekostet. Aber ich würde es immer wieder tun. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass es Menschen gibt, die nicht nur REDEN sondern einfach mal HANDELN.

Vielen Dank an alle, die mir das Vertrauen geschenkt haben und mir die nötige Unterstützung gegeben haben!!!

Liebe Grüße, Anne Giese