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Bundesteilhabegesetz: "Verbesserungen dringend erforderlich"

Geschäftsführer von Vitus Meppen und vom Christophorus-Werk Lingen diskutieren Nachbesserungen mit Dr. Daniela De Ridder

Das Gesetzgebungsverfahren für ein neues Bundesteilhabegesetz zur Verbesserung der Leistungen für Menschen mit Behinderung ist mit der Vorlage eines Kabinettsentwurfes in seine entscheidende Phase eingetreten. In der kommenden Woche soll der Entwurf im Bundestag und im Bundesrat in erster Lesung beraten werden. Weil das Gesetz in seiner jetzigen Fassung jedoch nicht nur Verbesserungen sondern auch erhebliche Risiken für Leistungsverschlechterungen in sich birgt, haben die Geschäftsführer der Träger der Behindertenhilfe im Wahlkreises Mittelems die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Daniela De Ridder zu einem Fachgespräch eingeladen.

(v.l.n.r.): Michael Korden (Geschäftsführer Vitus), Dr. Daniela De Ridder, Georg Kruse (Geschäftsführer Christophorus-Werk Lingen e. V.) und Stefan Kerk (stv. Geschäftsführer Christophorus-Werk Lingen e. V.)

„Wir begrüßen grundsätzlich, dass durch das neue Bundesteilhabegesetz mehr Selbstbestimmung und Personenorientierung für Menschen mit Behinderungen umgesetzt werden soll“, leitete Georg Kruse, Geschäftsführer des Christophorus-Werkes Lingen, in das zweistündige Fachgespräch ein. „Allerdings beinhaltet der Kabinettsentwurf des Gesetzes auch große Risiken für eine Verschlechterung der Leistungen, die von vielen betroffenen Menschen selbst und ihren Angehörigen überhaupt noch nicht wahrgenommen werden.“ So wird zum Beispiel der Zugang zu Leistungen neu geregelt und nur diejenigen erhalten zukünftige Leistungen zur Teilhabe, die in fünf und mehr Lebensbereichen eingeschränkt sind. Besonders kritisch sehen die Vertreter der Einrichtungen der Behindertenhilfe auch eine neue Regelung, die Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen aus Teilhabeleistungen ausschließen könnte und in den Leistungsbereich der Pflegeversicherungen verschiebt. Auch könnten Pflegeleistungen, die Betroffene zurzeit noch erhalten, die bei ihren Angehörigen leben, zukünftig eingeschränkt werden. Dr. Daniela De Ridder stellte klar: „Es darf keine Leistungsverschlechterungen für Menschen mit Behinderung geben.“ Sie wies aber auch darauf hin, dass insbesondere der kritisierte Vorrang der Leistungen zur Pflege eine Bedingung der Bundesländer sei und „das Gesetz schließlich auch den Bundesrat passieren müsse“.

Michael Korden, Geschäftsführer von Vitus Meppen und stellvertretender Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen, zeigte sich damit einverstanden, dass es zukünftig auch alternative Anbieter für den Bereich Teilhabe am Arbeitsleben geben kann. Er verband mit dieser Neuregelung aber die Forderung nach gleichen Qualitätsvoraussetzungen für alle. „Durch die weiteren Leistungsanbieter soll das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderung verbessert werden. In seiner jetzigen Fassung verbessert das Gesetz jedoch nur das Auswahlrecht der neuen Anbieter und führt zu Qualitätsverlusten im Bereich Teilhabe am Arbeitsleben“, kritisierte Korden weiter. Auch die erwartete Verbesserung im Bereich berufliche Bildung und Arbeit für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen sind mit dem Gesetzesentwurf nicht vorgenommen worden. Dr. Daniela De Ridder nahm in diesem Zusammenhang den Hinweis auf künftige Benachteiligung von Leistungsanbietern, die tarifgerechte Löhne zahlen, ebenfalls sehr ernst und betonte: „Uns sind Tariflöhne ein sehr wichtiges Anliegen und sie dürfen durch gesetzliche Regelungen nicht ausgehebelt werden.“

Weitere Risiken sehen die Vertreter der Behindertenhilfeeinrichtungen bei Leistungen zum Wohnen, die bislang als Komplexleistungen durch die Einrichtungen der Behindertenhilfe erbracht werden. „Die Trennung dieser Leistungen in existenzsichernde Leistungen und Leistungen zur Teilhabe“, erläuterte Kruse, „führen nicht nur zu erheblich mehr Bürokratie und Aufwand bei uns und bei den Angehörigen, sie könnten auch zu Qualitäts- und Leistungslücken führen, da nicht mehr alles finanziert wird.“ Die Risiken für die betroffenen Menschen mit Behinderung und für die Einrichtungen seien so groß, dass die Geschäftsführer empfehlen, einige Vorhaben des Gesetzes zunächst als Modellversuch zu erproben, bevor sie flächendeckend eingeführt werden.

Dr. Daniela De Ridder versprach, die Anliegen der Einrichtungen der Behindertenhilfe in die Diskussion in der Fraktion und in den Bundestag einzubringen. „Wir wollen im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch so viel Verbesserungen erreichen, wie möglich“, betonte sie. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden und zum 1. Januar 2017 in Kraft treten.