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Inhouse Fortbildung zum Thema Sexualität und Behinderung

Sexualität ist eine Lebensenergie, die die Menschen von Geburt bis zum Tod begleitet. Fast alle Menschen haben Bedürfnisse nach Geborgenheit, Beziehung, Partnerschaft, Lust und Sexualität.

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist für Menschen mit einer geistigen Behinderung häufig nicht ganz leicht umzusetzen, Mitarbeiter sind täglich mit diesem Thema konfrontiert und oft verunsichert.

Welche Unterstützung und Begleitung wünschen sich Bewohner/Kunden?

Wie kann offen und einfach über sexuelle Themen wie Körper, Kennenlernen, Selbstbefriedigung, Liebe, Partnerschaft, Kinderwunsch, Verhütung und vieles mehr gesprochen werden?

Dieser Verunsicherung durch Information und Austausch entgegen zu wirken war Ziel einer zweitägigen Fortbildung in der Grünen Oase, an der insgesamt 18 Mitarbeiter aus den verschiedenen Wohn- und Werkstattbereichen teilnahmen. Referentin war die Diplom-Kunsttherapeutin und Sexualpädagogin Maria Gies aus Hamburg. Sie teilte das Seminar in folgende Schwerpunkte: Tag 1: „Sexualität und Behinderung“ und Tag 2: „Prävention gegen sexualisierte Gewalt“.

Am ersten Tag erhielten die Teilnehmer von Frau Gries mit vielen praktischen Übungen, in der Arbeit im Plenum und in Kleingruppen ein fundiertes Grundwissen und Anregungen, sich mit der eigenen Haltung auseinander zu setzten und den Umgang mit dem Thema im Alltag zu reflektieren.

So verdeutlichte sie z. B. anhand eines Zeitstrahls sehr anschaulich die oftmals anders verlaufende psychosexuelle Entwicklung bei Kindern/Jugendlichen mit geistiger Beeinträchtigung. Die TN erhielten dafür eine Anzahl Kärtchen mit Verhaltenweisen in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen und wurden aufgefordert, diese Karten den Entwicklungsphasen zuzuordnen. So wurde schnell klar, dass die körperliche und emotionale Entwicklung eines Menschen oft eng mit Verhaltensänderung und mit Auffälligkeiten verbunden ist.

Weitere Punkte am ersten Tag:

  • Grundlagen zum Thema Sexuelle Bedürfnisse, Nähe & Distanz, Recht auf sexuelle Selbstbestimmung (UN Konvention)
  • Was behindert Sexualität?
  • Aufklärung zum Anfassen: Sexualpädagogische Methoden und Materialien
  • Umgang mit herausfordernden Situationen
  • „Die sexualfreundliche Einrichtung“

Neben einem fachlichen Input und einem kollegialen Austausch waren praktische Übungen zur Informationsvermittlung und Beratung Inhalt der Fortbildung.

Am zweiten Tag lag der Schwerpunkt auf Prävention gegen sexualisierte Gewalt

Menschen mit geistiger Behinderung sind besonders gefährdet, Opfer sexueller Grenzüberschreitungen und Gewaltanwendungen zu werden.

Prävention heißt Schutz, Vorbeugung und Aufklärung. Der beste Schutz ist, offen über sexuelle Gewalt zu sprechen und nichts zu verheimlichen.

Prävention heißt auch, Kunden/Bewohner über Wege und Möglichkeiten von

Beratung und Dienstleistungen außerhalb der Einrichtung zu informieren

Die Referentin Maria Gies hat aufgrund ihrer langjährigen Beratertätigkeit in unterschiedlichen Kontexten einen großen Fundus an praktischen Methoden, Menschen mit einer geistigen Behinderung das Thema Sexualität und Prävention näher zu bringen. Zu jeder Lerneinheit gab sie uns praktische Tipps und Anschauungsmaterial in die Hand.

Menschen mit Behinderung fehlt oft die Sprache, über den eignen Körper zu sprechen und Gefühle zu benennen. Daher sind Leichte Sprache und eindeutige, immer wiederkehrende Begriffe sehr wichtige Instrumente.

Weitere Lerninhalte am zweiten Tag:

  • Was ist sexueller Missbrauch
  • Grundlagen Prävention
  • Prävention zum Anfassen: Sexualpädagogische Methoden und Materialien, leichte Sprache, …
  • Aufklärung: „Wissen ist Macht über seinen eigenen Körper“
  • Pädagogische Konsequenzen. Was tun bei Verdacht?
  • Wege und Möglichkeiten kennen lernen durch:
    • die Beratungsstelle als unabhängige Stelle
    • Pro Beweis ( Dokumentation von Verletzungen und Beweissicherung für Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt)
    • BISS – Beratungs- und Interventionsstelle gegen Gewalt im LK EL
    • Frauen- und Kinderschutzhaus
    • Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“

Die Beratungsstelle stellte weitere Informationen zu Material und Adressen von örtlichen Hilfeeinrichtungen vor.

Am Ende gaben die Teilnehmer durchweg ein positives Feedback. Besonders hervorgehoben wurden die Praxisnähe der Referentin, die Reflexion der täglichen Arbeit und der offene Umgang in der Gruppe.

Maria Gies betonte die konkreten Vorkenntnisse der Teilnehmer/innen und den Umgang des Vitus-Werkes mit dem Thema Sexualität. Eine sexualfreundliche Einrichtung mit interessierten und wissenden Mitarbeitern und einen großen Fundus an Literatur und Material, ein Positionspapier mit erarbeiteten Umsetzungsanleitungen für alle Mitarbeiter sind optimale Voraussetzungen für Menschen mit Behinderung, die eigene Sexualität selbstbestimmt zu leben.